Ein Umstand, der sehr fragwürdig ist, sorgt für die Verschärfung der Rechtsunsicherheit für Einzelunternehmer in der IT-Branche. Die Rentenversicherung darf Statusfeststellungsverfahren durchführen. Damit kann sie ihrem Eigeninteresse, dass möglichst viele Arbeitnehmer in die Rentenkasse einzahlen, Vorschub leisten.
Aber auch die Art, wie das Statusfeststellungsverfahren durchgeführt wird, ruft bei allen Beteiligten häufig große Verwunderung hervor. Entscheidungen scheinen abhängig von den jeweiligen Prüfern sowie deren Phantasie getroffen zu werden.
Es gibt viel an dem derzeit gültigen Verfahren auszusetzen. Das BMAS hat im Web auf ihrer Seite Zukunftsdialog eine Unterseite „Soziale Sicherheit gestalten“ eingerichtet:
https://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Zukunftsdialog/Soziale-Sicherheit/soziale-sicherheit.html
Bei den „Handlungsbedarfen“ steht unter „Neue Balance von sozialem Schutz und individueller Selbstbestimmung bei neuen Erwerbsformen“ der Punkt „1. Lösungsansatz: Anpassung im Sozialversicherungsrecht“, dass unsere Meinung gefragt ist.
Eingangs wird die These aufgestellt, dass es um ein beschleunigtes Statusfeststellungsverfahren geht, das vor Aufnahme der Tätigkeit durchgeführt werden kann.
Für mich gibt es hinsichtlich des Verfahrens zwei Standpunkte:
- Das Statusfeststellungsverfahren sollte nicht von der DRV Bund durchgeführt werden dürfen. Denn da die DRV Bund ein Eigeninteresse hat, dass Geprüfte möglichst als Arbeitnehmer eingestuft werden, wird dadurch erreicht, Selbständige in die Abhängigkeit von Zeitarbeitsfirmen gedrängt werden. Das ist möglicherweise rechtssicherer als vorher, aber auch das Ende der „Ich-AGs“ nicht nur im IT-Bereich.
- Ein Statusfeststellungsverfahren vor jedem Auftrag verhindert die Initiative vieler Menschen, sich an das Risiko Selbständigkeit zu wagen. Nicht jeder hat genügend Kapital im Rücken, damit er gleich eine entsprechende Firma mit Angestellten gründen kann. Das Statusfeststellungsverfahren tötet längerfristig gesehen Eigeninitiative und Kreativität.
Entweder kann ich meine Tätigkeit als Selbständiger ausführen oder nicht. Statt weniger Bürokratie werden in Deutschland neue Felder geschaffen, die von (zu wenig) Angestellten beziehungsweise Beamten bearbeitet werden müssen.
Was ist der Hinderungsgrund dafür, dass man im Namen der sozialen Gerechtigkeit Situationen schafft, die Menschen ihre Lebensgrundlage rauben kann? Ein Scheinselbständiger muss hinterher eventuell über eine Zeitarbeitsfirma für viel weniger Lohn arbeiten. Möglicherweise kann er dann deshalb seine Alterssicherung (in vielen Fällen ein Eigenheim) nicht mehr halten.
Die Rente wird dadurch auch nicht sicherer. Sicher ist nur, dass solche Menschen dann nicht mehr so engagiert arbeiten werden, wie sie es als Selbständige getan haben. Sie sind dann ja im sozialen Netz aufgefangen und tun „Dienst nach Vorschrift“.
Es wird vermutlich in der Hauptsache zwei Typen von ehemals (schein-)selbständigen Menschen geben. Die einen, die Dienst nach Vorschrift machen, und die anderen, die motiviert und kreativ bleiben wollen, werden sich nach Möglichkeiten anderswo umschauen. Ich kenne schon einige, die in der Schweiz heimisch geworden sind.
Wer bleibt, wird möglicherweise dauerhaft unzufrieden. Die politischen Parteien, welche die Situation zu verantworten haben, werden von ihnen, ihren Familien und Freunden immer weniger gewählt. Diese Entwicklung kann man schon beobachten, wenn auch in anderen Zusammenhängen. Doch dieser Aspekt wird möglicherweise dazukommen.
Beteiligung an solchen Anfragen halte ich demokratische Pflicht. Ich bin mir zwar nicht sicher, was die vielen Antworten bewirken werden. Doch ohne Beteiligung kann dann später einfach behauptet werden, dass es die Mehrheitsmeinung der Bürger war.
Meine Meinung:
Die DRV Bund sollte keine Statusfeststellungsverfahren durchführen dürfen, da sie ein Eigeninteresse daran hat, einen Selbständigen als Arbeitnehmer einzustufen, und das schon oft genug unter Beweis gestellt hat. Die DRV Bund verhält sich auch entgegen den Beschlussempfehlungen, die in der Drucksache 18/10064 beschrieben wurden:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/100/1810064.pdf
In dem herunterladbaren PDF steht auf Seite 14 etwa in der Mitte:
„Das Gesetz ziele nicht darauf ab, die unternehmerische Tätigkeit beispielsweise von Beratungsunternehmen einzuschränken. Die Neuregelung solle dem sachgerechten Einsatz von Werk- und Dienstverträgen in den zeitgemäßen Formen des kreativen oder komplexen Projektgeschäfts nicht entgegenstehen, wie sie zum Beispiel in der Unternehmensberatungs- oder IT-Branche in Optimierungs-, Entwicklungs- und IT-Einführungsprojekten anzutreffen seien.“
Ein optimiertes Statusfeststellungsverfahren ist nur bei der Aufnahme oder Erweiterung einer selbständigen Tätigkeit sinnvoll. Alles andere sorgt für zu viel Bürokratie und für volle Kassen bei Rechtsanwälten und belastet die Justiz.
Es muss auch in Deutschland auf einfache Weise möglich sein, eine selbständige Tätigkeit zu beginnen, ohne dass man dauernd fürchten muss, dafür bestraft zu werden. Das erstickt jede Initiative.
Man könnte sich übrigens auch mal das Beispiel Schweiz anschauen und vielleicht davon lernen.
So, das war’s von meiner Seite. Der Kommentar ist zu lang, so dass er auf der BMAS Seite in mehreren Teilen gepostet werden muss.
Bevor ich es vergesse, möchte ich noch auf den Artikel hinweisen, der mich zu diesem Artikel inspiriert hat: